Dienstag, 14. Dezember 2021

Banken lockern ihre Standards für Immobilienkredite

Deutsche Banken lockern ihre Standards für Immobilienkredite. Das bereitet der Notenbank Sorgen. Mögliche Gegenmaßnahmen werden bereits diskutiert.

Frankfurt Die Bundesbank warnt vor zunehmenden Gefahren auf dem deutschen Immobilienmarkt. 2020 seien die Preise für Wohnimmobilien mit im Schnitt plus 6,7 Prozent erneut kräftig gestiegen; knapp 90 Prozent der Haushalte rechneten einer Umfrage zufolge mit weiter anziehenden Preisen. Das teilte die Bundesbank in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht zur Finanzstabilität mit.

Die Preise von Wohnimmobilien seien inzwischen um zehn bis 30 Prozent überbewertet. In der Vergangenheit hatte die Bundesbank dies lediglich für größere Städte festgestellt. Nun erklärte Vizepräsidentin Claudia Buch, dies sei „zunehmend auch außerhalb der Ballungsräume der Fall“. Die Auswirkungen von Preiskorrekturen könnten folglich unterschätzt werden.

„Jetzt ist die richtige Zeit für Prävention gegenüber zukünftigen Risiken“, erklärte Buch. Viele hiesige Geldinstitute haben ihre Vergabestandards für Immobilienkredite bereits gelockert – ein Problem aus Sicht der Notenbank.

Steigende Immobilienpreise können die Finanzstabilität gefährden, wenn Kredite zu locker vergeben werden. Rund die Hälfte der Bankkredite für Wohnimmobilien hat eine Zinsbindungsfrist von mehr als zehn Jahren. Steigt das Zinsniveau oder sinken die Immobilienpreise, könnten viele Häuslebauer ihre Darlehen nicht mehr bedienen.

Nun hatten Wohnungskredite in Deutschland traditionell einen relativ hohen Eigenanteil. Kam es zu Preiskorrekturen oder Zinsänderungen, konnte das für die Betroffenen zwar schmerzlich sein – die Folgen für das Finanzsystem waren aber begrenzt. Heute droht jedoch laut Bundesbank eine neue Lage: Vergeben Banken zu freizügig Kredite und sinkt der Eigenanteil, drohen im schlimmsten Fall großflächige Ausfälle und Schieflagen von Instituten.

Obergrenzen diskutiert

„Die Banken müssen an hohen Kreditvergabestandards festhalten“, mahnte denn auch Bundesbank-Vorstand Joachim Würmeling. „Damit können Banken das Immobilienrisiko senken.“

Sollten derlei Appelle nicht helfen, stünden weitere Instrumente zur Verfügung. „Es gibt zwei Maßnahmen, um Übertreibungen bei Immobilienkrediten zu vermeiden“, sagte Würmeling. So könnten Obergrenzen festgesetzt werden – zum einen für das Verhältnis von Kredithöhe und Immobilienwert („Loan to Value“), zum anderen zwischen Einkommen und Schuldendiensthöhe der Kreditnehmer.

Maßnahme eins sei in Deutschland bisher nicht eingeführt worden, werde jedoch in anderen europäischen Ländern bereits angewandt. Zu Maßnahme zwei gebe es „interessanterweise eine Absichtserklärung im Koalitionsvertrag“ der Ampelparteien.

„Wir haben uns immer für solche Instrumente eingesetzt, wissen aber, dass sie einen erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit darstellen“, erklärte der Vorstand. Zu ihrer Einführung würde die Bundesbank nur raten, wenn sich die Situation am Immobilienmarkt weiter zuspitze. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt setze man nicht auf Einzelmaßnahmen, sondern auf stärkere antizyklische Kapitalpuffer bei allen Banken.

Kritik kommt vom Bundesverband deutscher Banken. „Wir Banken haben in den vergangenen Jahren viel getan, um unsere Eigenkapitalpolster zu stärken. Die Kreditvergabemöglichkeiten zu beschränken, wäre der falsche Schritt“, erklärte Hauptgeschäftsführer Christian Ossig. Banken brauchten „Planungssicherheit“: „Deshalb wäre es gerade jetzt das falsche Signal, eine Erhöhung des Kapitalpuffers in Aussicht zu stellen.“

Keine „Zombifizierung“

Eine weitere Gefahr für das Finanzsystem sieht die Bundesbank darin, dass Banken die Kreditrisiken unterschätzen. Noch im vergangenen Jahr hatte die Notenbank einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen wegen der Coronapandemie befürchtet. Diese Prognosen haben sich aber als zu pessimistisch erwiesen.

Tatsächlich gab es keinen dramatischen Anstieg der Insolvenzen, im Gegenteil: Die Raten liegen historisch niedrig. Für die kommenden Jahre geht die Bundesbank von steigenden Pleitezahlen aus, sieht darin aber keine Stabilitätsgefahr.

„Wir sehen im Moment keine Hinweise darauf, dass wir eine ,Zombifizierung’ bekommen, also dass Unternehmen am Leben gehalten werden, die nicht lebensfähig sind“, erklärte Buch. An der sehr skeptischen Prognose aus 2020 sehe man die Grenzen des Ansatzes, „die Erfahrungen der Vergangenheit in die Zukunft fortzuschreiben“. So habe die Bundesbank im vergangenen Jahr nicht den Umfang der staatlichen Stützungsmaßnahmen in der Pandemie voraussehen können.

Doch was im Positiven gilt, gilt auch im Negativen: Nur weil die Insolvenzzahlen bisher niedrig lagen, muss das nicht so bleiben, mahnt die Bundesbank. Ändern könnte sich die Situation etwa bei einer größeren Rezession. Diese wird wahrscheinlicher, je weiter der konjunkturelle Zyklus fortgeschritten ist. „Das normale Muster wäre, dass die Insolvenzen dann wieder steigen“, sagte Buch.

Sind die Banken auf einen solchen Fall vorbereitet? Nicht ausreichend, warnt die Bundesbank. Die Risikomodelle der Geldhäuser stützten sich auf Daten aus der Vergangenheit. Davon könnten sich die Banken blenden lassen und zu geringe Rückstellungen für Kreditausfälle bilden. Auch Andrea Enria, der oberste Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB), hatte davor wiederholt gewarnt.

„In der Pandemie ist der Zusammenhang zwischen der makroökonomischen Lage und Kreditrisiken lockerer geworden“, heißt es im Bundesbankbericht. „In künftigen Rezessionen könnten Kreditrisiken allerdings stärker steigen.“

Entwarnung bei Evergrande

Entwarnung gab die Notenbank im Fall Evergrande: Die direkten Forderungen deutscher Banken, Versicherer und Fonds gegenüber dem angeschlagenen chinesischen Immobilienentwickler seien vergleichsweise gering. Evergrande war im September in den Fokus der globalen Finanzmärkte gerückt. Das Unternehmen ist hoch verschuldet und hat Probleme, Forderungen von Banken, Zulieferern und Anleihegläubigern fristgerecht zu bedienen.

Auch die finanziellen Verflechtungen anderer europäischer Banken mit Evergrande scheinen laut Bundesbank überschaubar zu sein – mit Ausnahme von britischen und Schweizerischen Banken. Indirekte Effekte könnten aber aus der Vernetzung deutscher Finanzintermediäre mit den Banken beider Länder resultieren, hieß es im Bundesbankbericht weiter.

Die EZB hatte in ihrem Finanzstabilitätsbericht vor Kurzem ebenfalls auf zunehmende Risiken auf dem Immobilienmarkt hingewiesen: Die Gefahr von Preiskorrekturen habe vor allem in jenen Ländern zugenommen, in denen die Bewertungen bereits vor der Krise erhöht gewesen seien.

Wie die Agentur Bloomberg am Donnerstag unter Berufung auf Finanzkreise berichtete, erwägt die EZB nun zudem Beschränkungen für die risikoreichsten gehebelten Kredite („Leveraged Loans“) in den Kreditbüchern der Banken. Hintergrund sei die Befürchtung, es könne auf dem Kreditmarkt für hoch verschuldete Unternehmen zu Verwerfungen kommen. Quelle: www.handelsblatt.com









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