Der Wunsch nach Wohneigentum ist ungebrochen und verleitet, viel
zu hohe Kaufpreise zu zahlen. Ein paar Indikatoren helfen, um bewerten
zu können, wo Kaufen statt Mieten wirklich lohnt. Die Immobilienpreise in Deutschland steigen seit
Jahren stärker als die Mieten. Das war 2020 nicht anders. Während die
Nettokaltmieten bundesweit im Schnitt um 2,7 Prozent anzogen, kletterten
die Kaufpreise für Eigentumswohnungen im Bestand um 10,1 Prozent. Dies
geht aus dem aktuellen Postbank Wohnatlas hervor. Damit stellt sich für
Mieter die Frage, ob sie nicht ein Objekt zur Selbstnutzung kaufen
möchten. Laut einer aktuellen Umfrage von Interhyp wünschen sich 72
Prozent der Mieter eine eigene Immobilie – deutlich mehr als 2019, als
es noch 66 Prozent waren.
Langfristig
könnte sich Kaufen statt Mieten lohnen. Nämlich dann, wenn ein Käufer
ein Objekt günstig erwirbt und gleichzeitig die Aussicht auf
Wertsteigerung besteht. Eva Grunwald, Leiterin des Immobiliengeschäfts
der Postbank, hat dazu eine klare Meinung: „Wer die Chance hat, eine
Eigentumswohnung nach seinen Wünschen zu erwerben, bei der die
finanzielle monatliche Belastung im Verhältnis zur Mietbelastung nicht
teurer kommt, der sollte den Erwerb unbedingt in Erwägung ziehen.“ Der
Vorteil liege auf der Hand: Wer eine Immobilie abbezahlt, betreibt
Vermögensaufbau. Mietzahlungen dagegen seien futsch.
Die
entscheidende Frage lautet: In welchen Städten finden Kaufinteressenten
noch gute Voraussetzungen für ein Investment? Um dies festzustellen,
haben sich die Fachleute vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut die
Preisentwicklung in allen Landkreisen und kreisfreien Städten genauer
angeschaut. Ein wichtiger Gradmesser für das Verhältnis von regionalen
Kauf- zu Mietpreisen sei der Vervielfältiger. Er gebe an, wie viele
Jahresnettokaltmieten für eine gleich große Eigentumswohnung
durchschnittlich zu zahlen wäre. Laut Postbank steht ein Vervielfältiger
von unter 25 für ein noch moderates Kaufpreisniveau. Bundesweit reiche
die Spanne von 12 in Sachsen-Anhalt bis zu 75 im Landkreis Nordfriesland
an der Nordsee. Grunwald erläutert: „Höhere Vervielfältiger könnten auf
eine Überhitzung des regionalen Marktes hinweisen.“
Vor
allem in den großen Städten seien die Kaufpreise dem Mietniveau
enteilt. In Berlin müssten Käufer mittlerweile 40 Jahresnettokaltmieten
für den Kauf einer Wohnung berappen. Grund dafür sei auch der Berliner
Mietendeckel, der im April 2021 vom Bundesverfassungsgericht gekippt
wurde. Die Regelung habe die Mieten gedrückt und damit den
Vervielfältiger erhöht. Günstigste Metropole unter den Top-7 sei
Stuttgart mit einem Kaufpreis von 28,7 Jahresnettokaltmieten. Grunwald
warnt: „Kaufinteressenten sollten in den Big Seven sehr wachsam sein und
genau prüfen, ob die hohen Preise gerechtfertigt sind.“ Mit jeweils
über 30 Jahresnettokaltmieten sehr teuer seien auch Rostock, Potsdam,
Rosenheim, Landshut und Baden-Baden.
Im
Vergleich zum örtlichen Mietniveau noch günstige Objekte fänden sich vor
allem rund um Berlin und Hamburg. Im Herzogtum Lauenburg, in Stade und
in Pinneberg zum Beispiel betrage der Vervielfältiger im Schnitt jeweils
rund 25. Insgesamt haben die Fachleute einige Städte identifiziert, in
denen die Kaufpreise dem örtlichen Mietniveau noch nicht enteilt seien,
so dass ein Umzug von einer Mietwohnung in die eigenen vier Wände
attraktiv erscheint. Das seien unter den Großstädten ab 100.000
Einwohnern am ehesten Gelsenkirchen (18), Salzgitter (19,1),
Bremerhaven, Duisburg, Oberhausen, Hamm, Bochum, Chemnitz und Wuppertal
(jeweils 20 bis 21).
Vor
einer Kaufentscheidung freilich müsse auch die erwartete Wertsteigerung
berücksichtigt werden. Beide Bedingungen – attraktives Preisniveau im
Verhältnis zu den örtlichen Mieten – sowie potenzieller Wertzuwachs
seien in 16 Landkreisen erfüllt, die damit die besten
Investitionschancen in Deutschland böten. Dazu zählten in Niedersachsen
die Landkreise Gifhorn, Grafschaft Bentheim, Lüneburg, Osnabrück und
Rotenburg (Wümme) sowie Stade. Auch der Landkreis Herzogtum Lauenburg in
Schleswig-Holstein glänze mit guten Aussichten auf noch günstige
Immobilien, die in Zukunft weiter an Wert zulegen werden.
Lohnende
Investments sehen die Experten auch entlang der Grenze zwischen Hessen
und Rheinland-Pfalz in den Landkreisen Bergstraße und Alzey-Worms sowie
in Darmstadt-Dieburg und Offenbach wie auch weiter im Süden von
Rheinland-Pfalz in Bad Dürkheim und Südliche Weinstraße. In
Baden-Württemberg sollten Kaufinteressierte die Landkreise Waldshut und
Tuttlingen unter die Lupe nehmen. In Bayern schafft es mit
Straubing-Bogen nur ein Landkreis in die Top-Regionen, obwohl der
Freistaat fast flächendeckend mit positiven Preisprognosen glänzt. Aber
die Kaufpreise sind vielerorts hoch und den örtlichen Mieten enteilt.
Regulierung als Risiko
Ein
Risiko für potenzielle Immobilienkäufer ist der Ausgang der
Bundestagswahl 2021. Das Thema Mietenregulierung steht bei einigen
Parteien hoch im Kurs. Das Beispiel Berlin zeigt, wie durch staatliche
Eingriffe Immobilienkäufe unattraktiver werden. „Dabei“, so Hagen Ernst,
stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei DJE
Kapital, „sind nicht die Mieten, sondern der fehlende Wohnraum das
Problem – da hilft nur bauen.“ Dass das Angebot an Wohnungen in den
nächsten drei bis fünf Jahren die Nachfrage übersteigt, ist allerdings
unwahrscheinlich. Damit bleibt Kaufen statt Mieten eine Option –
zumindest in einigen Städten.Quelle: procontra-online.de